Inhalte der Veranstaltung

Titelbild Demografiekongress Frankfurt

Am 21. April 2015 fand in Frankfurt der 5. Demografiekongress statt, initiiert vom Demografienetzwerk FrankfurtRheinMain. Referenten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien beleuchteten das Thema der demografischen Entwicklung aus unterschiedlichen Perspektiven. Immer wieder wird in Deutschland der „Fachkräftemangel“ kontrovers diskutiert. Aufgrund der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung schrumpft – zumindest rein rechnerisch – die heimische Fachkräftebasis. Dem entgegen steht jedoch die Zuwanderung aus dem Ausland, die jedes Jahr zusätzliches Arbeitskräftepotenzial bringt. In einem Punkt waren sich Referenten und Teilnehmer einig: Gerade FrankfurtRheinMain als eine der internationalsten Regionen Deutschlands sollte sich gut im Wettbewerb um Zuwanderer positionieren, um dieses Potenzial nutzen zu können.

Jahrhundertchance Zuwanderung

Einen wissenschaftlich fundierten Hintergrund zum Thema lieferte der Keynote-Vortrag von Herrn Prof. Dr. Henrik Müller von der Technischen Universität in Dortmund. Unter dem Titel „Jahrhundertchance Zuwanderung“ stellte er die aktuellen demografischen Trends weltweit und die damit verbundenen Konsequenzen für Deutschland vor.

Globale Situation
Anhand statistischer Daten zeigte er auf, dass der durchschnittliche weltweite Abhängigkeitsquotient (Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Altersgruppen (Personen, die noch nicht bzw. nicht mehr im erwerbsfähigen Alter sind) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre)) im Zeitablauf bis zum 2010 gesunken ist. Dies führte zu einem „Wohlstandsschub“, der sogenannten „demografischen Dividende“, da die Bevölkerung im aktiven Alter sich überwiegend auf das Produktivsein konzentrieren konnte und nur wenige Kinder bzw. ältere Menschen zu versorgen waren.

Abhängigkeitsquotienten 1950-2010 nach Regionen (Welt, entwickelte und weniger entwickelte Regionen, Deutschland)

Aufgrund der heute abnehmenden Geburtenraten und der steigenden Lebenserwartung hat sich jedoch dieser Trend seit 2010 umgekehrt. In Folge der veränderten Alterszusammensetzung sinkt die Zahl der „produktiven“ Arbeitskräfte im Verhältnis zu den abhängigen Altersgruppen. Entsprechend werden ein dauerhafter Anstieg des Abhängigkeitsquotienten und somit ein gebremstes Wirtschaftswachstum prognostiziert.

Abhängigkeitsquotienten 2015-2050 nach Regionen (Welt, entwickelte und weniger entwickelte Regionen, Deutschland)

Demografieentwicklung in Deutschland
Deutschland hat sein demografisches Optimum in den 80-er Jahren erreicht. Seitdem steigt der Abhängigkeitsquotient zunehmend, so dass davon auszugehen ist, dass sich die Lage ab dem Jahr 2020 – ohne zusätzliche äußere Einflüsse – dramatisch verschlechtern wird.

Aktuell liegt das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bei rund 45 Mio. Herr Prof. Dr. Müller zitierte eine IAB-Studie, die im Jahr 2050 ein Erwerbspersonenpotenzial von nur noch 30 Mio. Personen prognostiziert. Unterstellt man eine jährliche Nettozuwanderung von 200.000 Personen, so ergäbe dies 37 Mio. Personen bis zum Jahr 2050. Um jedoch das Niveau des Erwerbspersonenpotenzials von heute bis zum Jahr 2050 zu halten, wäre rechnerisch eine Nettozuwanderung von 533.000 Erwerbspersonen pro Jahr erforderlich.

Aktuelle Zuwanderung
Nach Aussage von Herrn Prof. Dr. Müller lässt sich die Zuwanderung in zwei Gruppen unterscheiden:

  • die wirtschaftlich getriebene Zuwanderung (v. a. aus Europa) seit 2010
  • die Zuwanderung von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten insb. seit 2013

Doch die Eurokrise ist endlich, ebenso wie der deutsche wirtschaftliche Ausnahmeboom. Andere EU-Länder stehen vor ähnlichen demografischen Problemen, so dass das Reservoir an Zuwanderern sich reduzieren wird. Zudem werden sich auch andere Länder um die mobilen Zuwanderer bemühen. Somit muss sich Deutschland als Zielland im Wettbewerb um die Arbeitskräfte gut positionieren, um die erforderliche Nettozuwanderung halten zu können.

Die Herausforderung
Eine wesentliche Kernaussage des Keynote-Vortrags war, dass die bisherige „Euro-Einwanderung“ der letzten Jahre eine „leichte“ war in Bezug auf Integration und kulturelle Differenzen. Denn die EU-Länder sind sich eher ähnlich. Zukünftig jedoch sieht sich Deutschland größeren Herausforderungen gegenüber, wenn es die kulturellen Unterschiede der Zuwanderer aus Kriegs- und Krisengebieten zu überwinden gilt.

Fachkräftebedarf in FrankfurtRheinMain

Konkret auf die Region FrankfurtRheinMain bezogen stellte Frau Susanna Caliendo, Leiterin des Europabüros der Metropolregion FrankfurtRheinMain, im Forum „Willkommenskultur“ arbeitsmarktrelevante Daten vor.

Im Jahr 2014 fehlten im IHK-Bezirk rund

  • 6.000 Akademiker
  • 16.000 beruflich Qualifizierte mit technischer Ausbildung und
  • 50.000 Fachkräfte im kaufmännischen Bereich (Quelle IHK-Fachkräftereport).

Einerseits resultieren diese Entwicklungen aus dem demografischen Wandel, andererseits kommt hier zusätzlich die zunehmende Akademisierung zum Tragen, die das Fachkräftepotenzial reduziert.

Grundsätzlich bessere Chancen auf ausreichend Mitarbeiter haben Unternehmen im Bereich der hoch qualifizierten und gut bezahlten Arbeitskräfte, für die ausreichend Anreize zur Anwerbung existieren. Dagegen benötigen nach Aussage von Frau Caliendo aber Unternehmen mit Berufsfeldern im mittleren Einkommenssegment verstärkt Unterstützung, damit sie vakante Positionen besetzen können.

Fazit

Durch die Zuwanderung lassen sich die demografischen Probleme in die Zukunft verschieben. Dennoch steht Deutschland vor der Aufgabe, die Menschen aus anderen Ländern hier heimisch werden zu lassen, sie zu integrieren und dauerhaft zu binden. Dies lässt sich nur durch verstärkte Integrationsmaßnahmen und die Etablierung einer echten Willkommenskultur erreichen. Hier sind Politik, Wirtschaft und soziale Netzwerke gefordert, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

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Arbeitsmigration, Ausländische Arbeitskräfte, Demografischer Wandel, Fachkräfte, Willkommenskultur