Das Bildungssystem in Spanien hat in den letzten Jahren einige Reformen durchlaufen. Wesentliche Merkmale dieser Reformen waren unter anderem die Einführung einer post-sekundären Stufe und eine bessere Verzahnung der Bildung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen mit den übrigen Angeboten.
Nachfolgend sind die einzelnen Bausteine des spanischen Bildungssystems, ihre Inhalte und Besonderheiten sowie die zugehörigen Schulen bzw. Bildungseinrichtungen dargestellt.
Verpflichtende Sekundarbildung im spanischen Bildungssystem
Nach der Vorschulerziehung (Altersklasse 0 bis 6 Jahre) beginnt für die Kinder die Schule in Form der Grundschulbildung (Altersklasse 6 bis 12 Jahre). An diese schließt sich gemäß spanischem Bildungssystem die berufliche Erstausbildung an, die mit der vierjährigen, verpflichtenden Sekundarstufe (Educación Secundaria Obligatoria) beginnt und bereits innerhalb der Schule eine grundlegende Berufsausbildung integriert.
Anders als in Deutschland erfolgt in der Sekundarstufe I noch keine leistungsbasierte Aufteilung der Schüler in Schulen wie Haupt-, Realschule und Gymnasium. Stattdessen schließen die Schüler in Spanien die verpflichtende Sekundarstufe I mit einem dem deutschen mittleren Schulabschluss vergleichbaren Titel „Graduado en Educación Secundaria Obligatoria“ ab.
Mit dem 16. Lebensjahr endet die allgemeine Schulpflicht für spanische Schüler.
Der weitere Ausbildungsweg ab dem 16. Lebensjahr
Nach erfolgreichem Bestehen der verpflichtenden Sekundarbildung kann jeder Schüler seinen weiteren Ausbildungsweg festlegen. Dabei kann er im spanischen Bildungssystem zwischen zwei Optionen wählen:
- Er kann eine allgemeinbildende höhere Sekundarschule besuchen, in der er innerhalb von zwei Jahren das Abitur („Bachillerato“) machen kann. Dieses stellt die Zugangsvoraussetzung für ein Studium an einer Hochschule oder für die höhere Berufsausbildung („Formación Profesional de Grado Superior“) dar. Mit dem Abschluss der höheren Berufsausbildung erlangt ein Schüler gleichzeitig die berufsbezogene Hochschulreife.
- Oder der Schüler entscheidet sich für die mittlere Berufsausbildung („Formación Profesional de Grado Medio“), die mit dem Titel „Técnico” abschließt. Auf diesem Abschluss kann er sein fachgebundenes Abitur aufbauen.
Sowohl die mittlere als auch die höhere Berufsausbildung werden an Sekundarschulen („Institutos de Educación Secundaria“) oder an Berufsschulen angeboten, dauern jeweils ein bis zwei Jahre und beinhalten gemäß spanischem Bildungssystem rund 350 Stunden Praxiserfahrung.
Statistische Daten zur Ausbildung
Über die letzten Ausbildungsjahre hat die Inanspruchnahme der beruflichen Ausbildung signifikant zugenommen; dagegen lässt sich nur ein leichter Aufwärtstrend im Ausbildungssegment der Sekundarstufe II erkennen.
Seit dem Ausbildungsjahr 2009/10 ist die Zahl der eingeschriebenen Schüler im Bereich der mittleren Berufsausbildung um rund 27,2 % und im Bereich der höheren Berufsausbildung um ca. 34,5 % angestiegen. Während bis zum Jahr 2011/12 die Zahl der in der Oberstufe eingeschriebenen Abiturienten stets größer war als die Anzahl der Schüler, die sich für eine Berufsausbildung entschieden haben, hat sich das Verhältnis ab dem Ausbildungsjahr 2012/13 umgekehrt. Im Jahr 2013/14 waren 640.978 Schüler für das Abitur eingeschrieben und 702.762 Schüler für die berufliche Ausbildung.
Insgesamt gibt es in Spanien 3.015 Bildungseinrichtungen für die berufliche mittlere und höhere Ausbildung, davon 2.106 öffentliche und 909 private (Stand: Ausbildungsjahr 2012/13). Ein Großteil der insgesamt 661.047 Schüler (ca. 78 %) ist in öffentlichen Einrichtungen eingeschrieben. Es ist festzustellen, dass der Anteil der Fernausbildungen bei der höheren Berufsausbildung mit rund 8,6 % fast doppelt so hoch ist wie bei der mittleren (ca. 4,6 %).
Das Studium
Spanien war eines der 29 Länder, die im Jahr 1999 in der Bologna-Erklärung den Europäischen Hochschulraum („Espacio Europeo de Educación Superior“) zur europaweiten Harmonisierung von Studiengängen und -abschlüssen gegründet haben.
Übergeordnetes Ziel dieser Erklärung war es, die europäischen Hochschulsysteme attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Es wurden insbesondere folgende Maßnahmen festgelegt:
- Die Einführung eines Systems mit zwei Hauptzyklen für berufsqualifizierende Studienabschlüsse (undergraduate: Bachelor und graduate: Master/Promotion); der nach dem ersten Zyklus (Bachelor) erworbene Abschluss definiert ein dem europäischen Arbeitsmarkt entsprechendes, einheitliches Qualifikationsniveau
- Die Etablierung eines einheitlichen Leistungspunktesystems nach dem European Credit Transfer System (ECTS) als Mittel zur Förderung größtmöglicher Mobilität der Studierenden zwischen Hochschulen auch über Ländergrenzen hinweg
Mittlerweile gehören zu diesem Hochschulraum insgesamt 47 Staaten.
Ebenso wie in Deutschland wurden in Spanien die Titel Bachelor („Grado“) und Master („Máster“) etabliert und haben damit die bisherigen Einteilungen in „Primer Ciclo“ und „Segundo Ciclo“ abgelöst, die mit Titeln „Diplomado“, „Arquitecto Técnico“ und „Ingeniero Técnico“ im Primer Ciclo bzw. „Licenciado“, „Arquitecto“ oder „Ingeniero“ im Segundo Ciclo abschlossen.
Ein Bachelor-Studium dauert drei bis vier Jahre (240 Credits), ein darauf aufbauender Master-Studiengang weitere ein bis zwei Jahre (60 bis 120 Credits). Im Anschluss an den Master-Titel besteht die Möglichkeit, seinen Doktortitel („Doctorado“) zu erwerben.
Statistische Daten zum Studium
Im Betrachtungszeitraum ab 2009/10 hat die Anzahl der insgesamt immatrikulierten Studenten in Spanien (undergraduate und graduate) bis zum Jahr 2011/12 von rund 1,47 Mio. auf 1,57 Mio. zugenommen; seitdem ist ein leichter Rückgang der Studentenzahlen zu beobachten (im Studienjahr 2013/14 ca. 1,54 Mio.).
Analysiert man im Zyklus „undergraduate“ die Einschreibungen in den zugehörigen Fachrichtungen, so ist zu erkennen, dass Sozial- und Rechtswissenschaften eine hohe Attraktivität verzeichnen, gefolgt von Ingenieurwesen und Architektur. Im Zeitablauf konnten die Gesundheitswissenschaften ihre Studentenzahlen um knapp 60 % steigern.
Eine ähnliche Situation ist in Master-Studiengängen zu beobachten. Die Sozial- und Rechtswissenschaften haben die Zahl immatrikulierter Studenten von 2009/10 bis 2013/14 fast verdoppelt und behaupten damit ihre Spitzenposition. In den anderen Fachrichtungen dagegen fanden nur leichte Verschiebungen der Master-Studentenzahlen statt.
Im Betrachtungszeitraum von 2009/10 bis 2013/14 hat sich die Zahl der Absolventen im Segment „Grado“ bzw. „Primer y Segundo Ciclo“ von 197.535 auf 233.626 erhöht, mit einem leichten Einbruch an Absolventen im Studienjahr 2011/12. Eine ebenso positive Entwicklung ist bei den Master-Absolventen zu erkennen mit einem Zuwachs um rund zwei Drittel auf 67.530.
In beiden Ausbildungszyklen sind – analog zu den Zahlen der Immatrikulation – die meisten Absolventen dem Bereich der Sozial- und Rechtswissenschaften zuzuordnen. Dabei konnten die Absolventenzahlen im Master-Studiengang in den letzten fünf Jahren sogar verdoppelt werden.
An Platz 2 bei den Abschlüssen „Grado“ bzw. „Primer y Segundo Ciclo“ steht die Fachrichtung Ingenieurwesen/Architektur. Beim Master rangieren alle anderen Disziplinen weit hinter den Absolventenzahlen der Sozial- und Rechtswissenschaften (maximal 8.000).
Fazit
Mit diversen Reformen hat die spanische Regierung auf Schwächen im Bildungssystem reagiert. Fehlende praxisnahe Ausbildung wurde in den letzten Jahren durch verstärkte berufliche Orientierung bereits innerhalb der Schulzeit ausgeglichen. Die steigenden Schülerzahlen im Bereich der mittleren und höheren Berufsausbildung unterstreichen den Erfolg dieser Maßnahmen. Die in der Vergangenheit hohen Raten an frühen Schulabgängern und Studienabbrechern verringern sich zunehmend. Studieren ist noch immer attraktiv, hat aber durch die verstärkte berufliche Fokussierung innerhalb der Ausbildung ein Gegengewicht bekommen.
Mehr Informationen unter:
ZAV-Länderinformationen Spanien
Spanisches Ministerium für Bildung, Kultur und Sport – Statistiken
Ausbildung, Ausländische Arbeitskräfte, Berufsausbildung, Bildungssystem, Fachkräfte, Studium